Aufgrund langjähriger Projekterfahrung im Claim Management wissen wir, dass die folgenden Begriffe in der Baupraxis widersprüchlich oder gar falsch verwendet werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die relevanten Begrifflichkeiten sogar in der Fachliteratur oftmals sehr unterschiedlich definiert und teilweise kontrovers diskutiert werden, ist das jedoch keine Überraschung.

Um Missverständnisse im Kontext unserer Leistungen zu vermeiden und unser Verständnis vom Claim-, Nachtrags- und Anti-Claim Management zu verdeutlichen, werden wir die Begriffe im folgenden Artikel entsprechend unserem Verständnis erläutern, gegeneinander abgrenzen und Ihnen eine Kurzfassung der Definitionen zum Download bereitstellen.

Was verstehen wir bei Primestone Consulting unter einem Nachtrag bzw. Nachtragsmanagement?

Im Zusammenhang mit dem Nachtragsmanagement stellt sich zunächst die Frage nach der Interpretation des Begriffes „Nachtrag“. Wer im BGB oder der VOB/B nach der entsprechenden Definition sucht – der wird schnell feststellen, dass der Begriff im Gesetz nicht verwendet wird. Ein Nachtrag ist eine in der Baupraxis etablierte Bezeichnung und beschreibt die nachträgliche Geltendmachung von Vergütungsanpassungen oder mögliche Ansprüche auf Bauzeitenanpassungen durch den Auftragnehmer. Ein solcher Anspruch entsteht, wenn nach dem Vertragsabschluss eine eingetretene und vom Auftragnehmer unverschuldete Tatsache eine Veränderung des Bau-Solls zur Folge hat. So kann z. B. die nachträgliche Änderung der Leistungsbeschreibung – etwa eine Änderung des Materials – durch den Bauherren zu Nachträgen führen.

Auch wenn ein Nachtrag folgerichtig nur vom Auftragnehmer gestellt werden kann, betrachten wir bei Primestone Consulting das Nachtragsmanagement (auch Nachforderungsmanagement) aus zwei unterschiedlichen Perspektiven.

1. Aus Sicht des Auftraggebers müssen beim Nachtragsmanagement eingehende Nachträge (oder Nachforderungen) auf vertragliche Grundlagen und technische sowie betriebswirtschaftliche Plausibilität geprüft und die relevanten Korrespondenzen dokumentiert werden. Anders gesagt verfolgen die Auftraggeber mit professionellem Nachtragsmanagement das Ziel, ausschließlich gerechtfertigte Nachträge zu vergüten.

2. Aus Sicht der Auftragnehmer umfasst das Nachtragsmanagement hingegen sowohl die fachliche, kalkulatorische und juristische Vorbereitung als auch die Durchsetzung der Nachträge, um die eigene Planung hinsichtlich der Bauvorhaben langfristig aufrechtzuerhalten.

Inwiefern unterscheiden sich ein Claim vom Nachtrag bzw. Claim Management vom Nachtragsmanagement?

Die potenzielle Forderung finanzieller, terminlicher oder sachlicher Art eines Vertragspartners wegen einer nachträglichen Veränderung des vertraglichen Bau-Solls ist zunächst die Voraussetzung für Claims bzw. Nachträge und daraus resultierendes Claim- bzw. Nachtragsmanagement. Die Begrifflichkeiten sind sinnverwandt und werden häufig als Synonyme verwendet. Aus unserer Sicht unterscheidet sich ein Claim grundsätzlich aus zwei Gründen von einem Nachtrag:

1. Claims sind vertragliche Forderungen die – entgegen einem Nachtrag ­– sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer eingefordert werden können.

2. Bei einem Claim besteht grundsätzlich keine Einigkeit über den Grund und / oder die Höhe des Nachtrags. Beispielsweise führen unspezifische Leistungsbeschreibungen – etwa durch zu allgemeine Definitionen der Leistungen und / oder der Waren – zu Streitigkeiten hinsichtlich der Vergütung.

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Claim Management verfolgt vordergründig, genau wie Nachtragsmanagement, das Ziel, Abweichungen vom vertraglich vereinbarten Bau-Soll zu erkennen, eigene Ansprüche abzuleiten und durchzusetzen (Auftragnehmer) bzw. fremde Ansprüche abzuwehren (Auftraggeber). Im Unterschied zu einem bloßen Nachtrag enthält ein Claim aus unserer Sicht jedoch mindestens eine Eskalationsstufe aufgrund fehlender Einigkeit über den Grund und / oder die Höhe der Nachforderung. Um langjährige und kostenintensive Gerichtsverhandlungen zu vermeiden, zeigt das Claim Management durch Verhandlungen, Mediationen und außergerichtliche Lösungsfindungen effizientere Alternativen auf.

Wozu wird das Anti Claim Management eingesetzt?

Das Anti Claim Management beschäftigt sich grundsätzlich mit der frühzeitigen Identifikation von Risiken und Optimierungspotentialen der Bauprojekte und damit einhergehender Präventionen von Nachträgen bzw. Claims aus Sicht des Auftraggebers. Die Analyse und die entsprechende Optimierung der Ausschreibungsunterlagen hinsichtlich des Reifegrades, der technischen Machbarkeit, der Vollständigkeit und der Eindeutigkeit sind wesentliche Bestandteile zur Minimierung relevanter Risiken. Während Claim- und Nachtragsmanagement erst in der Bauphase ihre Anwendung finden, spielt sich das Anti Claim Management bereits vor und während der Ausschreibungsphase ab und begünstigt die Planungs- und Erwartungssicherheit für alle Beteiligten. Mit Anti Claim Management können Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung – etwa durch mangelhafte Beschreibung der zu erbringenden Leistung – bereits vor dem Vertragsabschluss identifiziert und die Gefahr von Claims bzw. Nachträgen minimiert werden.