Optionen der Vergabe des Claim- und Nachtragsmanagements

In vielen Fällen erfolgt die Vergabe des Claim- und Nachtragsmanagements in Bauprojekten an die bereits beauftragten Architekten und Ingenieure. Dabei wird das Thema häufig dem Planer, Steuerer oder Bauüberwacher übertragen. Oft erfolgt dies aus der herkömmlichen Sichtweise, dass die betriebswirtschaftliche Prüfung durch die Grundleistung der HOAI bereits abgedeckt sei. Verpflichtend ist dabei jedoch nur die Mitwirkung, und auch diese stellt eine „Besondere Leistung“ dar (HOAI 2013 – Anlage 10 zu §34 Abs. 4, §35 Abs.7 in 10.1. Leistungsbild Gebäude und Innenräume/Besondere Leistungen/LPH 7 Mitwirkung bei der Vergabe). Damit ist sie gegenüber der beauftragten Fraktion gesondert zu vergüten.
Wenn also durch die Claim- und Nachtragsbearbeitung stets zusätzliche Kosten anfallen, dann ist es bei umfangreicheren Bauvorhaben für den Auftraggeber empfehlenswert, im Vorfeld eine Kosten-Nutzen-Betrachtung aufzustellen.
Dabei vergleichen wir zwei gängige Optionen: Die Vergabe an die baustellennahe Planungs- und Steuerungsebene oder die Vergabe an einen, auf Claim- und Nachtragsmanagement spezialisierten, dritten Auftragnehmer. Wir weisen darauf hin, dass noch andere Optionen oder auch kein Nachtragsmanagement möglich sind. Die Beauftragung von Anwälten als Option betrachten wir hier explizit nicht, da erstens Anwälte für die Abwicklung und Recherche von weniger komplexen Claims und Nachträgen schlichtweg zu teuer sind; Zweitens dürfen beide der oben genannten Dienstleister keine Rechtsdienstleistung ohne Zulassung erbringen und es müssen daher im Eskalationsfall zusätzlich die Anwälte beauftragt werden.
Quantitative und qualitative Kriterien des Kosten-Nutzen-Vergleichs
Im Kosten-Nutzen-Vergleich sind quantitative und qualitative Entscheidungskriterien zu betrachten. Mit Blick auf die quantitativen Kriterien ist zunächst zu klären, wie hoch der finanzielle Aufwand für die möglichen Auftragnehmer liegt. Dabei ist die Vergleichbarkeit der Leistungen zu beachten. Des Weiteren ist die wahrscheinliche Höhe der verhinderten Mittelabflüsse durch die jeweiligen Auftragnehmer zu prognostizieren. Dieser Schritt ist erfahrungsgemäß anspruchsvoll und setzt einige Annahmen voraus. Als qualitative Entscheidungskriterien können beispielsweise Abwicklungsgeschwindigkeit, Höhe des Verwaltungsaufwandes, Grad der Revisionssicherheit, Konfliktlösungspotenzial, Potenzial zur Verhandlungsunterstützung, Risiken durch Interessenkonflikte, Wirkung der Abschreckung, Häufigkeit der Bauprojekte oder Anforderungen der Kapitalgeber betrachtet werden.
Um die obige Aufzählung der quantitativen und qualitativen Faktoren etwas praxisnäher darzulegen wenden, wir sie auf die beiden oben genannten Vergabeoptionen an.

Vor- und Nachteile der Vergabe an die Planungs- und Steuerungsebene

Lassen Sie uns im ersten Schritt die Platzierung auf der Planungs- und Steuerungsebene beleuchten. Die Nähe zur Baustelle und der damit verbundene hohe Kenntnisstand der mit der Prüfung beauftragten Projektsteuerer, Ingenieure und Architekten vereinfacht die Analyse und Entscheidung über Berechtigung und Höhe einer Nachforderung. Hier kommen gegebenenfalls auch die Erfahrungen aus den früheren Leistungsphasen mit Blick auf Planung, Vergabevorbereitung und Ausschreibung zum Tragen. Damit ist die Prüfung oft schneller und kostengünstiger. Dazuhin ist organisatorisch keine weitere Partei in das Projektmanagement einzubinden, zu steuern und zu informieren. Aus diesem Modell heraus ergeben sich in der Praxis jedoch auch Risiken. Zum einen sind die Beauftragten häufig stark ausgelastet, was zu oberflächlicher oder verspäteter Claim- und Nachtragsprüfung führen kann. Zum anderen stehen betriebswirtschaftliche Prüf- und Konfliktthemen weniger häufig im Interessenbereich der am Projekt direkt beteiligten Architekten und Ingenieure. Zusätzlich arbeiten die meisten Beauftragten außerhalb ihrer Kernkompetenz, was sich bei der Abwicklungseffizienz, dem Abschreckungspotenzial und in der Quote bei der Vermeidung von Mittelabfluss negativ niederschlagen kann.
Eine weitere Schwäche ergibt sich daraus, dass die Beauftragten unmittelbar die Verantwortung für Fehler in der Planung und Steuerung dem Auftraggeber gegenüber tragen könnten. Diese führen dann wiederum zu Nachträgen. Damit prüfen sie sich gewissermaßen selbst, was zu einem Interessenkonflikt führt und letztendlich einen Compliance-Fall darstellen kann.
Damit in Verbindung steht auch die Problematik, dass die verschiedenen Lieferanten auf der Baustelle bereits durch vergangene Bauprojekte in Beziehung stehen und auch in der Zukunft miteinander arbeiten werden. Daher ist ein, aus Sicht des Auftraggebers, harter professioneller Kampf um Claims meist nicht in deren Interesse. Letztlich ist in diesem Modell selten eine professionelle Erfahrungsauswertung zu erwarten und wenn, verbleiben die Erkenntnisse für weitere Bauvorhaben selten in der Organisation des Auftraggebers.

Bewertung der Vergabe an spezialisierte Claim- und Nachtragsmanager

Betrachten wir im zweiten Schritt die Platzierung bei internen und externen Spezialisten. Um den wesentlichen Schwachstellen der ersten Option entgegenzuwirken, wird in Großprojekten häufig der Angelsächsische Ansatz des Anti-Claim- oder Claim Managements gewählt. Er verortet die Verantwortung direkt auf der Projektleitungsebene des Auftraggebers. Damit werden Interessenkonflikte weitgehend ausgeschlossen und eine unabhängige Instanz mit Revisionscharakter etabliert. Die eingesetzten Prüfer sind regelmäßig erfahrene Spezialisten mit Kenntnissen in Bauabwicklung, Preisrecherche, Forensik, Verhandlungsvorbereitung, Konfliktmanagement und Rechtsgrundlagen. Oftmals können diese auf eigene Anwälte oder die Anwälte des Auftraggebers zurückgreifen. Damit gestaltet sich die Eskalationsvorbereitung einfacher.
Im optimalen Falle wird durch den Beauftragten ein Nachtragsabwicklungsprozess aufgesetzt, welcher mit den wesentlichen Schnittstellen zu den Fachabteilungen und der IT-Landschaft des Auftraggebers verknüpft sind. Dies kann durch den Zugang zu Preisdatenbanken ergänzt werden. Eine solche Struktur ermöglicht die revisionssichere Dokumentation und den Aufbau von Lessons Learned für die Planungsphase zukünftiger Bauprojekte, im Sinne eines Anti-Claim Managements. So entsteht auch eine abschreckende Wirkung auf die Lieferanten, die dann eine Vielzahl von unhaltbaren Nachträgen gar nicht erst einreichen. Dies kann in zukünftigen Bauprojekten realistischere Angebote seitens der bekannten Auftragnehmer zur Folge haben. Denn diese können nun nicht mehr auf eine Auskömmlichkeit des Auftrages durch gezielte Nachträge spekulieren.
Der Nachteil einer solchen Lösung ist, dass die Claim- und Nachtragsmanager zusätzliche Kommunikationsschnittstellen entwickeln und damit Recherche- und Zeitaufwand entsteht, der die Lieferanten auf der Baustelle belastet und Leistungen verlangsamt. Zusätzlich kann sich die Stimmung innerhalb des Lieferantenportfolios verschlechtern, da die Spezialisten meist eine unnachgiebige Verhandlungslinie fahren und den Lieferanten finanzielle Mittel blockieren, mit denen diese bereits fest gerechnet haben. Des Weiteren können die beauftragten Spezialisten mit Blick auf den Stundensatz teurer sein als die bereits beauftragten Architekten und Ingenieure. Hier ist jedoch zu beachten, dass sich dies durch erhöhte Prozesseffizienz und durch höhere Nachtragseinsparungen erfahrungsgemäß mehr als ausgleichen kann.

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass keiner der beiden Ansätze per se zu bevorzugen ist. Selbst wenn wir als Anbieter von Claim- und Nachtragsmanagement zum spezialisierten, prozessoptimierten und IT-unterstützten Ansatz raten.
Jedes Bauprojekt ist anders und damit auch das Volumen, die Komplexität, die Risiken und die Zusammenstellung der Lieferanten. Ohne Kenntnis der Anforderungen und der Kultur des Auftraggebers ist eine pauschale Beantwortung der obigen Frage nicht möglich.
Daher ist, unabhängig vom Umfang eines Bauprojektes, aus unserer Sicht eine Kosten-Nutzen-Betrachtung mit angemessenem Aufwand geboten. So kann auch bei sehr kleinen Bauprojekten eine durchdachte und effizient abgewickelte Vergabe an spezialisierte externe Claim- und Nachtragsmanager sinnvoll sein. Gleichwohl kann in einem Großprojekt das Claim- und Nachtragsmanagement mit geringem Aufwand vom Architekten nebenbei abgewickelt werden, wenn eine Vertrauensbasis besteht, das Lieferantenportfolio clever geführt wird und präzise Leistungsvereinbarungen bestehen.