Dem Risiko des Scheinwerkvertrags wird oft nur halbherzig entgegengewirkt

Wird von Seite der Exekutive ein Werkvertag als Scheinwerkvertrag eingestuft, kommen auf die betroffenen Unternehmen und deren Entscheidungsträger teils existenzbedrohliche Konsequenzen zu. Bußgelder, Nachzahlungen und ggf. strafrechtliche Ermittlungen stehen dann im Raum. Selbst in glimpflichen Fällen ist die Thematik für die belangten Unternehmen zumindest lästig, reputationsschädigend und teuer.
Daher entscheiden sich immer mehr Unternehmen, das Thema in ihre Compliance-Betrachtungen mit aufzunehmen. In einem ersten Schritt werden dazu entweder interne Strukturen geschaffen oder aber externe Spezialisten beauftragt. Diese sollen für Transparenz hinsichtlich der Risiken sorgen. Sind die drohenden Risiken erfasst, so sind Maßnahmen zu deren Vermeidung auszuarbeiten und umzusetzen. Spätestens hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Viele Unternehmen implementieren undifferenziert Standard-Werkzeuge, wie z.B. Leitlinien zum Umgang mit Werkverträgen, Lastenheftvorlagen oder Checklisten für Führungskräfte. Diese haben jedoch oft nur den Charakter eines Feigenblattes und stellen sich in späteren juristischen Auseinandersetzungen als unzureichend heraus.
Nur wenige Organisationen beschäftigen sich mit den konkreten Werkverträgen und deren tatsächlicher Abwicklung. Auf Analyse, Optimierung und Kontrolle wird aufgrund des erwarteten Aufwandes häufig verzichtet. Denn neben der Kostenbetrachtung erschwert der meist straffe Zeitplan im Vergabeprozess eine klare Ausarbeitung.

Welchen Nutzen hat die Werkvertragsoptimierung aus Einkaufssicht?

Im Folgenden wollen wir die Perspektive des Einkaufs bzw. des jeweiligen Einkäufers einnehmen. Warum sollte sich der Einkaufsbereich bei der Geschäftsleitung für das Thema stark machen? Auf den ersten Blick schützt die Werkvertragsoptimierung ausschließlich den Fachbereichsleiter und die Geschäftsführung vor den oben genannten Konsequenzen.
Übergeordnet stellt sich die Frage, wer für die Vergabe im Werkvertrag tatsächlich haftet. Im Innenverhältnis kann dies nicht immer klar beantwortet werden. Fachbereichs- und Einkaufsleitung können vertraglich diesbezüglich tatsächlich in der Haftung stehen. Vor allem nach kostspieligen und reputationsschädigenden Verstößen wird der verantwortliche und haftbare Entscheidungsträger seitens der Geschäftsleitung gesucht. Diese Praxis unterstreichen etliche rechtliche Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Dies kann unter Umständen auch der Einkaufsverantwortliche sein, der seiner Prüf-, Melde- und Beratungspflicht nicht nachgekommen ist. Hier lohnt sich für den Einkaufsleiter der Blick in den eigenen Arbeitsvertrag.
Skeptiker argumentieren, dass kritische Werkverträge selten entdeckt werden und daher auf kostspielige Prüfungen verzichtet werden kann. Dem halten wir entgegen, dass viele behördliche Untersuchungen zufällig stattfinden oder nach einer Anzeige, zum Beispiel unzufriedener Mitarbeiter, Neider oder Wettbewerber, erfolgen. Darüber hinaus entsteht, wenn der Scheinwerkvertrag entdeckt wird, meist unmittelbar ein finanzieller Großschaden. Verlassen wir nun die Worst-Case-Argumentation und betrachten den wirtschaftlichen Nutzen, der unabhängig von der Schadenabwehr durch optimierte Werkverträge möglich ist.
Wird ein Werkvertrag professionell analysiert, kommt es in der Folge meist zu Umstellungen der internen Prozesse. Ziel ist dabei vor allem, die klare Abgrenzung des Gewerkes zu den Tätigkeiten des Auftraggebers zu erreichen. Das geht idealer Weise mit einer Prozessoptimierung und
-dokumentation einher. Diese wiederum schafft ein klarer abgrenzbares Leistungsbild für die potenzielle Fremdvergabe. Damit können fachbereichsseitig sehr präzise Ausschreibungspapiere mit klaren Anforderungen und Leistungsbausteinen erstellt werden. In aller Regel werden dann auch Beistellungen des Auftraggebers, Verantwortungen zwischen den Parteien, technische Details, Abnahmebedingungen und Kennzahlen definiert. Ein derartig präzise beschriebener Vergabeumfang ermöglicht es dem Anbieter, treffsichere Angebote zu erstellen. Daraus ergibt sich der Vorteil einer einfachen Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Anbietern und deren Angeboten. Damit kann sich der Einkaufsprozess deutlich verkürzen. Nicht geeignete Anbieter werden schneller erkannt oder ziehen sich gegebenenfalls von sich aus zurück. Bieterrunden zur inhaltlichen Klärung verkürzen sich merklich oder werden gar obsolet. Dies schont die Kapazität des Einkaufs und reduziert die Möglichkeit von Fehlentscheidungen.
Die transparenteren Leistungsbausteine haben eine weitere Wirkung im späteren Projektverlauf. Klare Leistungsdefinitionen legen Auftragsinhalt und -grenzen präziser fest, während festgelegte Kenngrößen und Ergebniskriterien den Streit um die Leistungsabnahme vermeiden. Damit reduziert sich in der Folge die Wahrscheinlichkeit auf Nachtragsforderungen seitens der Auftragnehmer. Somit werden in der Projektumsetzungsphase keine Einkaufskapazitäten zur unsinnigen Nachtragsprüfung, -verhandlung oder Streitvorbereitung gebunden.
Letztendlich trägt eine Kultur der Werkvertrag-Sensibilisierung und der Vergabeprüfung über die Zeit hinweg dazu bei, dass die Leistungsbeschreibungen, vor allem im Fall einer erneuten Beauftragung, stetig verbessert werden. Damit wird auch die Prüfung der Werkverträge selbst effizienter und kostengünstiger.

Die Werkvertragsoptimierung lohnt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Betrachten wir zusammenfassend den korrekten Werkvertrag als langfristiges strategisches Ziel. Er dient nicht ausschließlich der Vermeidung juristischer Konsequenzen und hoher Bußgelder, sondern kann sich kostenseitig positiv auswirken.
Die aktive Vermeidung von Scheinwerkverträgen verbessert die Ausschreibungsqualität und damit auch oft die Ergebnisqualität der Gewerke. Die Werkvertragsoptimierung verbessert die Prozesse im Fachbereich und beschleunigt den Vergabeprozess im Einkauf. Damit spart sie nachweislich Einkaufskapazitäten und Kosten ein. Letztendlich vermeidet sie im Vorfeld Konfliktpotenzial, teure Nachtragsforderungen und deren Bearbeitungsaufwand durch Einkauf und Fachbereich.
Es lohnt sich daher für den Einkauf, sich für den korrekten Werkvertrag und dessen Optimierung aktiv einzusetzen. Verbunden mit der Reduktion rechtlicher Risiken für Unternehmen und Entscheidungsträger, begründet sich eine Investition in die Werkvertragsoptimierung gegenüber der Geschäftsleitung.