In der Baupraxis werden oft sehr komplexe und umfangreiche Bauwerkverträge eingesetzt, die der aufwendigen Planung und der komplexen Ausführung des Bausolls gerecht werden müssen. Die Erfahrung zeigt, dass relevante Regelungen und Rahmenbedingungen vertraglicher bzw. technischer Art, die für ein wirksames „best-for-projekt“ Claim- und Nachtragsmanagement unerlässlich und in § 8a VOB/A größtenteils definiert sind, oftmals nicht berücksichtigt wurden. In einem solchen Fall haben sich spezifische Zusatzvereinbarungen als sinnvoll erwiesen, um die Planungs- und Erwartungssicherheit für die Bauprojekte zu sichern und aufkommende Claims bzw. Nachträge effizient untersuchen und abschließen zu können.
Im Folgenden werden, die aus Sicht von Primestone Consulting wichtigsten Zusatzvereinbarungen für großvolumige Bauprojekte und ein erfolgreiches Claim- und Nachtragsmanagement kommentiert.
Diese Zusatzvereinbarungen sind die Grundlage für wirksames Claim Management
1. Im Rahmen von komplexen Bauprojekten sollten die gewünschten Dokumente wie Verhandlungsprotokolle, technische Leistungsbeschreibungen, Bauzeichnungen, Terminpläne explizit als Vertragsbestandteil bestimmt und alle übrigen Dokumente im Umkehrschluss ausgeschlossen werden. Hierbei empfiehlt sich eine exakte Rangfolge der vertragsrelevanten Dokumente zu definieren, mit Angaben über deren einschlägige Fassung, sodass im Streitfall eine klare Hierarchie zur Prüfung des Sachverhalts gegeben ist.
2. Hinsichtlich der Vergütung müsste in den Zusatzvereinbarungen stets präzise erwähnt werden, inwieweit mit den vereinbarten Preisen alle erforderlichen Arbeiten, Leistungen und Lieferungen zur Erfüllung der vertraglichen Leistung abgegolten werden. Anfallende Schutz-, Zusatz- und Hilfsleistungen, die zur fachgerechten Herbeiführung des Werkerfolges notwendig sind, werden anteilig mit den ausgemachten Preisen abgegolten oder als Positionen detailliert beschrieben, sofern ihre Notwendigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände der Baumaßnahme und ihrer vorgesehenen Ausführung bei Vertragsschluss für Planer, Fachfirmen bzw. für Fachpersonal erkennbar sind. Oftmals werden Zugangs- bzw. Zufahrtskontrolle, Infrastruktur, Wartung und Reinigungsdienste, Fahrzeugreinigung bzw. -instandsetzung, Genehmigungen, Lizenzen, Gutachten, (behördliche) Abnahmen, Frostschutz, Winterbaufestmachung, Heizung, Bewässerung, Belüftung und Baubeleuchtung bei der Bepreisung vergessen.
3. Für den Fall von Änderungen des Bausolls oder neuen Zusatzleistungen sollte ausdrücklich festgelegt werden, dass der Auftragnehmer (AN) ein detailliertes, begründetes und prüfbares Nachtragsangebot unverzüglich beim Auftraggeber (AG) einzureichen hat. Um eine effiziente Prüfung dieser Nachforderungen zu gewährleisten, hat es sich bewährt einen vorab definierten Aufbau als Vorlage eines solchen Nachtrages und eine entsprechende Kontaktstelle beim AG zu vereinbaren. Ein solches Vorgehen vereinfacht das Bearbeiten und Dokumentieren der Nachforderungen.
4. Um die Kalkulation der Nachträge nachvollziehen zu können, sollte zusätzlich vereinbart werden, dass die Nachtragsangebote stets auf Basis einer zu hinterlegenden detaillierten und vorab gemeinsam abgestimmten Urkalkulation berechnet werden. Es ist darauf zu achten, dass die Kalkulation durch Gegenüberstellung der Urkalkulation und des Nachtragsangebotes prüfbar dargestellt wird. Um kostenintensive Verzögerungen zu verhindern, sollte die Bereitschaft zur Offenlegung der Urkalkulation vertraglich festgehalten werden.
5. Um die Erwartungs- und Planungssicherheit für die AG zu sichern, sollten Einheits- und Pauschalpreise sowie Preise für Eventual- und Bedarfspositionen – unabhängig von der Dauer der Leistungserbringung – in den Zusatzvereinbarungen aufgenommen werden. Sofern die Vereinbarung von Festpreisen (z. B. bei Kupfer) nicht möglich ist, können Regeln bzw. Klauseln zur Anpassung der Preise definiert werden.
6. Um das Übersehen von Mängeln bei einer vorzeitigen bzw. Teil-Abschnitts-Abnahme zu vermeiden, empfiehlt es sich festzuhalten, dass die Zahlungen des AG stets unter dem Vorbehalt der mangelfreien Werkleistung erfolgen und gerade keine Anerkennung einer korrekten Leistung darstellen.
7. Hinsichtlich der Abnahme ist zu anzuraten, dass diese erst nach der vollständigen Leistungserbringung vom AN eingefordert werden kann. Teilabnahmen sollten nur bei wirklich trennbaren oder bei später nicht mehr begehbaren Bauabschnitten/Bauleistungen durchgeführt werden. Um die Rechtssicherheit für beide Parteien zu gewährleisten, sollte die Abnahme mithilfe eines entsprechenden Abnahmeprotokolls und einem ergänzenden Protokoll zur Fertigstellung der einwandfreien Mängelbeseitigungsmaßnahmen dokumentiert werden.
8. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Einsatz eines bevollmächtigten und der jeweiligen Sprache mächtigen Fachbauleiters und Koordinators den Erfolg der Projekte spürbar begünstigen kann. Dabei sollte stets die hinreichend fachliche Qualifikation und notwendige Führungskompetenzen eingefordert werden, um eine effiziente Abwicklung aufkommender Komplikationen sicherzustellen. Das Führen eines akribisch detaillierten und kommentierten Bautageberichts und dessen regelmäßige Vorlage haben sich als hilfreich erwiesen, um aufkommenden Claims, Nachträgen und Komplikationen frühzeitig entgegenzuwirken.
9. In Anlehnung an § 4 Abs. 3 VOB/B sollte der AN verpflichtet werden den AG unverzüglich über alle Mängel, Schäden und Gefahren zu unterrichten, welche im Zusammenhang mit seinen vertraglichen Pflichten eingetreten sind oder eintreten könnten. Also muss der AN zur fachlichen und rechtzeitigen Prüfung aller Umstände, insbesondere der Vollständigkeit und der technischen Machbarkeit der Ausführungsunterlagen („constructability“), der Leistungsbeschreibung, der örtlichen Gegebenheiten, der gelieferten oder vorgesehenen Stoffe bzw. Bauteile, verpflichtet werden. Dadurch können Probleme antizipiert, entsprechende Maßnahmen eingeleitet und kosten- und zeitintensive Verzögerungen vermieden werden.
10. Um die Planungsgrundlage abzusichern, empfehlen unsere Experten bei Änderungen des im Vertrag vorgesehenen Mengenansatzes eine rechtzeitige, projektgerechte Meldung des AN einzufordern. Bei einer erheblichen Änderung des Mengenansatzes oder beim Erreichen von 30, 60 oder 90% der Auftragssumme wäre eine unverzügliche Meldung an den AG empfehlenswert.
11. Nach den komplexen Ausschreibungen und einem daraus resultierenden Vertragsabschluss, sollte der AG den AN auffordern einen detaillierten Baufristenplan inkl. ausreichend sinnvollen und prozessgerechten Zwischenterminen für die Kontrolle des Ablaufs seiner Leistung im Rahmen der Vertragstermine vorzulegen. Es hat sich gezeigt, dass gerade die Vereinbarung von Zwischenterminen ein wichtiges Element für die Sicherung der Vertragserfüllung werden kann, um Komplikationen frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. In diesem Kontext sollte daher stets vereinbart werden, dass der AG berechtigt ist zunächst dem AN Beschleunigungsmaßnahmen in zumutbaren Umfang nach billigem Ermessen anzuordnen.